Werbung in der Botanik

Fast alle Kinofilme kann man auf sieben Geschichtsformen zurückführen. Dass ein neuer Kinofilm eine wirklich neue Geschichte erzählt ist äußert selten und hoch riskant. Kinofilme kosten viel Geld, eine neue Erzählform kann da schnell zum Ausfall werden, also bleibt man lieber bei den bekannten Strategien.

Ebenso gibt es in der Werbung nur sehr selten richtig neue Strategien. Die Pflanzen haben hier ein paar Millionen Jahre Test-Vorsprung. Fangen wir bei einem der ältesten Werbetricks an: Den Streuartikeln. Klein, günstig, großzügig verteilt und Streuverluste sind eingeplant. Fast alle Pflanzen vermehren sich so. Sie produzieren Samen im Überfluss, die klein sind, wenig Energie in der Herstellung kosten, sehr großzügig verteilt werden und nicht alle Samen müssen an guten Standorten landen, damit die Art überlebt. In unserem Innenhof konnten wir einmal knietief durch die flauschigen Samenstände der Pappeln waten wie durch Bühnennebel. Keine von den Samen hatte eine Chance, ein Baum zu werden, aber das war der Pappel egal.

Ebenso ist die Erfindung des Flugblatts nicht neu. Eine Information, massenhaft verteilt, in der Hoffnung, dass der richtige Empfänger unter den vielen schon dabei ist. Pflanzen machen das schon viele Millionen Jahre. Nur drucken Sie ihre Flugblätter nicht, sondern sie lassen sie verduften. Mit ihren Blüten produzieren Sie Düfte, um Bestäuber anzulocken. Die Flugbahnen des Duftes können sie nicht steuern, also hoffen sie darauf, dass der richtige schon irgendwann die Duftspur finden wird. Dass ein Großteil des Duftes einfach ungeschnuppert verweht, ist eingepreist, Hauptsache, der eine Bestäuber findet die Fahne und den Weg zur Blüte.

Flashmobs sind auch nicht neu, wenn man die Pflanzen fragt. Alle kommen vermeintlich spontan zusammen und koordinieren sich, um einen größeren Effekt zu erzeugen. Genau genommen ist jede Doldenblüte ein Flashmob. Die Einzelblüte würde in der Wiese nicht auffallen, aber wenn sich hunderte davon zu einem Schirm zusammen tun und gleichzeitig erblühen, entsteht ein sichtbares Signal, das auch Facettenaugen gut erkennen können. Der bekannteste Flashmob in der Pflanzenwelt sind aber wohl die Mastjahre der Bäume. Sie sprechen sich ab, um gemeinsam möglichst viele Samen zu produzieren. Sie fruchten ihre Fressfeinde quasi zu Boden.

Exklusivität ist auch nicht neu, wenn man die Pflanzen fragt. Einige Blüten sind so speziell, dass sie nur von einem Tier bestäubt werden können, wie etwa die Feige und die Feigenwespe. Kein anderes Tier kommt an die Blüten heran, die Öffnung der Feigenblüten sind so klein, dass nur einer durchkommt.

Am meisten freut mich, dass es der Begriff »organisches Wachstum« in die Sprache der Social-Media-Agenten geschafft hat. Es meint eine Reichweite, die durch echte Interaktion und Sympathie entstanden ist und nicht durch gekaufte Klicks. Alle wollen organisches Wachstum, weil es zwar etwas länger braucht, aber stabiler ist. Genau wie das Holz von jungen Bäumen. Stehen sie in ihrer Jugend im Schatten älterer Bäume, wachsen sie langsamer, bilden festeres Holz aus, das ihnen im Alter eine höhere Stabilität verleiht.

Werbung ist in der Botanik nichts neues, sondern Pflanzen sind sehr gut in ihren Strategien, sich Gehör zu verschaffen und Flächen zu erobern. Sogar virales Marketing beherrschen sie, wenn auch eher unfreiwillig. Die Gold-Aukube ist eine beliebte Kübelpflanze und zeigt auf dunkelgrünen Blättern viele goldene Sommersprossen. Diese Sommersprossen sind die Folge einer harmlosen Virusinfektion, die das Chlorophyll in manchen Zellen absterben lassen, die aber aus einer unscheinbaren einfarbigen Pflanze einen echten Hingucker machen. Werbung ist das halbe Geschäft…

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