Sie heißen Pommesbudenpflanzen, Omapflanzen, Bahnwärterlilien, Beamtengras oder einfach nur »unkaputtbar«. Wenn eine Pflanze die wochenlange Vernachlässigung in Büros oder in kalten Schaufenstern überlebt, es nicht krumm nimmt, wenn man sie beim Gießen oder geschweige denn Düngen vergisst und in überheizten Wohnzimmern von fröstelnden Großmüttern der trockenen Luft standhält, wenn es ihr nichts ausmacht, dass längst alle Erde verschwunden ist und der Topf nur noch aus Wurzelballen besteht, wenn eine Pflanze all das aushalten würde, wäre sie nicht ein Held? Der Rüdiger Nehberg der Botanik, zäh, unzerstörbar und tapfer wie Trümmerfrauen. Manche blühen sogar unter diesen harten Bedingungen und machen kein großes Aufheben darum.
Bogenhanf, Klivien, Schusterpalmen, Usambaraveilchen, Grünlilien, Flamingoblumen und Geldbäume in den Stuben, Bergenien, Taglilien und Elfenblumen in den Gärten. Ihre Ausdauer, ihre Toleranz, ihre Zähigkeit ist beeindruckend, sie bekommen dafür aber keine bewundernden, sondern eher herablassende Namen. Diese Pflanzen wachsen überall, die sind keine Herausforderung, sondern eine Beleidigung für den Gärtner. Wer nichts wird, wird Wirt. Wer nichts pflegt, pflegt Bogenhanf.
Dieses Image wird den Pflanzen bei Weitem nicht gerecht. Das einzige, was ein schlechtes Image verjagen kann so wie Buchen die Birken, ist ein Trend. Ein Trend hat aus der Omapflanze Monstera den Star unter allen Fans grafischer Blätter gemacht. Papeterie, textile Prints und Tattoss zeigen Monsterablätter. Auf Ebay werden Stecklinge von gesprenkelten und panaschierten Varianten zu Kaviarpreisen gehandelt und in den Wohnzimmern entrollen sich wieder diese eleganten, glänzenden Aronstabblätter. Monstera ist keine Omapflanze mehr, sondern höchstens ein klein wenig Retro, was den Trend eher noch füttert. Vergessen das schlechte Image, geliebt die Robustheit und Wüchsigkeit.
Image und Trend sind sehr menschliche Blickweisen auf Pflanzen. Den Pflanzen ist es natürlich egal, wie wir sie sehen, sie wachsen unbeirrt vor sich hin. Ich finde, dass Pflanzen mit miesem Image einen zweiten Blick wert sind. Wer sich im Schaufenster einer Pommesbude über Jahre im fetthaltigen Dunst ohne Dünger halten kann, würde in militärischen Maßstäben sicher längst General sein und nach vorne überfallen vor Tapferkeitsmedallien. Pflanzen mit drögem oder langweiligem Image sind unsere heimlichen Retter. Sie verzeihen unsere Fehler und Nachlässigkeiten. Sie zeigen uns, dass es trotzdem weiter geht und dass sie es nicht krumm nehmen.
Ich feiere diese stillen Helden, die für viele der Einstieg in die Botanik sind, gerade weil sie so viel aushalten. Ich habe eine Klivie geschenkt bekommen, die über 30 Jahre alt ist und jedes Jahr vollkommen zuverlässig blüht und sogar hin und wieder Früchte ansetzt. Diese belächelten Omapflanzen hebeln die Kategorie Pflegefehler einfach aus. Sie machen den Menschen an der Gießkanne fast überflüssig, vielleicht mag ich sie deshalb so besonders. Sie erinnern daran, dass unsere Treppenhäuser, Büros und Schaufenster nicht die härtesten Biotope sind, die diese Pflanzen gesehen haben. Sie sagen, dass man kein Spezialist sein muss, um bei uns zu überleben. Sie füllen höflich ihre Töpfe und lassen uns wie hervorragende und umsichtige Gastgeber erscheinen – nicht alle Helden tragen Umhänge, manche sind auch im Topf.