Nachhaltig leben zu wollen ist der Versuch zu schwimmen, ohne nass zu werden. Man kommt aus dieser Nummer, die sich Leben nennt, nicht raus, ohne sich die Hände dreckig zu machen. Aber man kann zumindest versuchen, den Dreck möglichst gering zu halten. Und man sollte es auch versuchen, wenn man die Nachrichten mit Sturzfluten, Hitzewellen und Dürren sieht.
Im Garten versuche ich Nachhaltigkeit umzusetzen, indem ich keine torfhaltige Erde kaufe, Plastiktöpfe so lange wieder benutze bis sie zerbröseln und möglichst wenig Werkzeug besitze. In der Küche mache ich es genau so. Sandwichmaker und Spargelkochtopf sind mir ein Gräuel, genau so sind es Löwenzahnstecher und Mähroboter. Ein guter Spaten (Die Betonung liegt auf guter!), eine gute Grabgabel, zwei kleine Schaufeln, ein Jäter und eine gute Schere. Damit kommt man schon weiter. Ach ja, und eine gute Säge, wenn mal was dickeres weg muss. Mit dieser eher spartanischen Ausstattung habe ich sieben Jahre lang versucht, unseren Garten am Hang in Schach zu halten. Einige Meter Hecke mit Feuerdorn, dazu Weißdorn und noch einige Meter mehr mit Schlehen produzieren regelmäßig sehr viel Strauchschnitt. Nicht diesen weichen, herbstlich wogenden Strauchschnitt, sondern dornigen, biestigen, um sich schlagenden Strauchschnitt, der dir Schnittwunden im Gesicht zufügt, wenn du zu wild vorgehst. Die Dornen kommen von unten durch die Sohle und immer dann, wenn man nicht damit rechnet.
Von Hand zu häckseln braucht Zeit. Viel Zeit.
Meinen ersten Haufen Strauchschnitt habe ich im ersten Herbst einfach in eine Ecke des Gartens gelegt und gehofft, dass dort er schnell verrottet. Vielleicht ensteht ja auch ein Unterschlupf für andere Gartentiere dabei. Nach vier Jahren hat sich dieser Haufen nicht im Ansatz verändert. Das Holz ist trockener geworden, es knackt leichter. Aber eine Rotte findet nicht statt. Aus dem Haufen war kein Kompost, sondern eine ewige Benjeshecke geworden. Aus dem Münsterland kannte ich es anders. Alles, was mit dem feuchten Lehmboden in Kontakt kam, rottete schnell und zuverlässig. Die ersten Äste noch langsam, aber je mehr Mulm und Kompost sich unten sammelt, desto schneller rotteten die darüber liegenden Äste. Der Kompost hielt die Feuchtigkeit länger, dadurch konnten die Pilze länger arbeiten und am Ende wirkte die Strauchablagestelle wie ein Aktenvernichter für Äste in Zeitlupe. Hier allerdings funktioniert das nicht. Im Sommer fallen die Pilze für Wochen in Trockenstarre, da passiert nix. Der Haufen ist genau so stachelig und dornig und biestig wie an dem Tag, als ich ihn dort hin gelegt habe. Nichtmal Igel haben drin überwintert.
Ich änderte meine Taktik. Den nächsten Schnitthaufen machte ich von Hand klein. Ich schnitt kleine Stücke, immer so, dass maximal ein Dorn pro Stück bleibt und dadurch alle Stücke viel Bodenkontakt haben können. Wenn man Stücke mit nur jeweils einem Dorn schneidet, dann enstehen viele kleine Winkel, die aber alle flach am Boden liegen können. Wenn man Stücke mit zwei oder mehr Dornen schneidet, dann entstehen Gebilde, bei denen die Dornen den Ast vom Boden entfernt halten, egal, wie man das Stück auch dreht. Stücke mit einem Dorn rotten vielleicht schneller, so dachte beim Schnippeln.
Es hat ein paar Tage gedauert, den Haufen Strauchschnitt klein zu machen. Eine kleine Meditation mit Schere war das und eine gute Gelegenheit, den Garten zu beobachten. Ich hätte sonst nicht entdeckt, dass die Schwanzmeisen wieder da sind. Aber zurück zum Schnittgut. Ich ließ dieses Schnittgut aus der Momering-Schnittgut-Manufaktur einfach unter den Hecken liegen. Nach einem guten halben Jahr war es schon dunkler geworden, mit kleinen roten Pusteln verpilzt und ließ sich irgendwann zertreten. Die Dornen hatten ihren Stachel verloren, es war nur noch Biomasse. Das war schon ein wesentlicher Fortschritt zur ewigen Benjeshecke, aber ein sehr zeitraubender Fortschritt. Und der Fortschritt gehört ja bekanntlich den Faulen.
Diese Technik hielt ich einige Jahre durch und es sammelte sich auch ein wenig Biomasse an. Aber auf die lange Sicht kam ich damit nicht gegen den Zuwachs an Grün an. Es brauchte doch anderes Gerät. Also öffnete ich meine Wenig-Werkzeug-Regel und kaufte eine gebrauchte Vorrichtung, bei der ein V-förmiges Blech und ein Handbeil zusammen arbeiten. Wie eine Aufschnittmaschine konnte man damit dünne Äste und Grünschnitt kleinmachen. In der Theorie. In der Praxis war auch bei der allerbesten Justierung immer ein kleiner Spalt zwischen der Klinge und dem Anlageblech, sodass die Äste nicht geschnitten, sondern gequetscht und geknickt wurden. Gleichzeitig musste man die Äste so lange runterdrücken, bis sie kurz vor der Klinge waren. Das ist super, wenn man sich gerne aufregt und seine Hände sehr gerne in die direkte Nähe von fallenden Klingen hält. Ein spannendes Abenteuer, das volle Konzentration verlangt, um sich nicht aus Versehen die Fingerspitzen abzuhacken. Das sah irgendwie auch nicht nach Lösung des Problems aus.
Es gibt sie noch, die guten Dinge
Ich war in einer Sackgasse. Neue Geräte wollte ich möglichst nicht kaufen, der Zeitaufwand für den Schnitt sollte aber im Rahmen bleiben und die Hecken produzieren munter drei Meter zackig dornigen Zuwachs im Jahr. Es brauchte eine Lösung. Die fabrikneuen Häcksler, die ich bisher angeschaut hab, überzeugten mich nicht so recht. Die funktionierten wie diese Gartenscheren, die man als Geschenk bei Tulpenzwiebeln mitgeschickt bekommt. Schneidet eine Saison super, danach ist es verschenktes Material und Müll. Vielleicht kann ich mit einem gebrauchten Gerät einen Kompromiss finden? Die fabrikneuen Häcksler gibt es alle auch in gebraucht. Ich bin nicht überzeugt. Und dann drängt sich ein Häcksler in meine Suchergebnisse, der aus der Reihe fällt. Zu groß, zu klobig, zu alt. Die Herstellerfirma Cramer gibt es nicht mehr. Sie haben eine bewegte Geschichte hinter sich, die mit sehr hochwertigen Gartengeräten anfängt, einer Übernahme durch einen chinesichen Investor weiter geht und damit endet, dass sie diese Schritte rückgängig gemacht haben, aber offenbar die Namensrechte bei diesem Schritt nicht retten konnten. Also heißt Cramer heute Remarc, Cramer in rückwärts.
Der klobige Häcksler vor mir war aus der Zeit vor der chinesichen Übernahme, bei der viele eifrige Leute mit Exceltabellen über Effizienzsteigerung redeten und endlosen Beratermeetings mit saurem Kaffee, bei der schon so viele leidenschaftliche Unternehmen in die Depression gestürzt wurden. Dieser Häcksler kommt noch aus der Zeit davor, eine Zeit der Schnurrbart tragenden Handwerker, die einfach nur gute Maschinen bauen wollen und danach eine Stulle draußen auf der Bank essen.
Wenig später holen wir den Häcksler ab, ein Trümmer, so groß wie ein Ofen. Im Innenleben sind keine Walzen und keine Messer sondern Schlagzapfen aus Stahl, die das Holz zersplittern und anschließend an der Außenwand zerschreddern. Der Stahl ist so stabil, dass man einfach ganze Tontöpfe hineinwerfen kann. Genau sowas lacht mich an. Gute Qualität, zeitlich versetzt in günstig. Und was soll ich sagen: Dieser Häcksler verändert die Spielregeln im Garten am Hang. Schlehen, zieht euch warm an! Feuerdorn, halte deine Triebe bereit!
Die Hecken oben am Hang wurden direkt geschoren und wenig später lagen gute drei Raummeter biestige, dornige Äste im Hof wie eine aggressive Herde, die zur Strecke gebracht wurde. Liegend, aber noch nicht ungefährlich. Der Motor bringt die Häckselscheiben etwas behäbig auf Touren, aber kurz danach steht vor mir das gelbe Tor zur Hölle einsatzbereit und schreit mich an. Die ersten Äste verschwinden fast von selbst im Einführrohr. Sobald die Häckselscheibe unten packt, drehen und schreddern sie die Äste. Oben schlagen die Dornen um sich, also Abstand halten. Es ist laut und es klingt, als ob manche Äste versuchen, von innen durch das Metall zu brechen, aber sehr kurze Zeit später sind aus drei Raummetern biestigem Strauchschnitt drei handliche Eimer mit Häckseln geworden. Es riecht nach frisch geschnittenem Holz. Ich gebe ein zufriedenes Seufzen von mir, gucke auf die Stelle, wo eben noch der Haufen mit Strauchschnitt lag und trage die Häcksel auf die Wegen zwischen den Beeten. Das sieht nicht nur nach einer Lösung aus, das macht sogar Spaß.
Häcksler und Koch an der Gartenfront
Ich war angesteckt und jetzt war kein Halten mehr. Alles, was seit ein paar Jahren überhand genommen hatte, alles verschwand im Schlund des Cramermahls. Die Hasel, der falsche Jasmin, Efeu, Holunder, alles, was schnell und viel wächst, alles war nachher schön praktisch in Eimern und wurde Weg im Beet. Die produzierten Häckselstücke sind unterschiedlich groß. Von Haselnussgröße bis zur Länge von großen Zigarren war alles dabei. Das kann jetzt schön langsam vor sich hinrotten und viele viele Krautsamen am Keimen hemmen. Bisher habe ich noch keine Schnecke auf dem Häckseln gefunden, aber das kann sich ändern. Am Ende wird es nichts geben, was Schnecken nicht doch besiedeln.
Ich bin heilfroh, diesen alten Cramer-Häcksler gefunden zu haben. Ich habe zwar definitiv ein Gerät mehr im Bestand, aber eines, das viel Zeit spart und so robust ist, dass es wenig Aufmerksamkeit braucht. Der Handhäcksler wird wieder verkauft, dafür gehts jetzt ans Heckenhäckseln!