Wenn mir beim Schreiben ein Wort nicht einfällt, gucke ich mich ein wenig um, das ist ein alter Trick beim Schreiben. Der Bildschirm wirds dir nicht verraten, aber vielleicht gibt dir irgendetwas anderes in der Umgebung einen Impuls, der dich weiter bringt. Wenn ich also herumschaue und gedanklich auf einem Satz herumkaue, dann fällt mein Blick auf einige Dickblattgewächse. Sukkulenten, Crassula, Geldbäume in mehreren Varianten. Diese Pflanzen stehen auf meinem Schreibtisch und im Fenster beim Besprechungstisch im Büro.
Diese Pflanzen haben mehrere Vorteile: Sie wachsen langsam vor sich hin, brauchen wenig Wasser und noch weniger Nährstoffe. Die wichtigste Funktion ist allerdings eine andere. Wenn das Gespräch auf das Budget eines neuen Projekts kommt und die Auftraggeber unsicher sind, ob ihr Budget für ihre Pläne ausreicht, dann hab ich eine Knüller-Antwort parat, wenn ich das Projekt gut finde. Ich zeige dann immer auf die Dickblattgewächse und sage, dass ich diese Pflanzen so mag, weil sie sehr sparsam mit allem umgehen und damit viel erreichen. Das erleichterte Lächeln danach macht dann vieles einfacher und wir können endlich über Inhalte sprechen.
Dickblattgewächse speichern Wasser in ihren Stängeln und in den Blättern. Wenn die Sonne zu stark scheint, schließen sie die Spaltöffnungen der Blätter und stellen den Betrieb ein. Sie gehen mit Überfluss genau so um wie mit Mangel. Sie warten ab, sie sind sparsam. Dickblattgewächse sind ideal angepasst an magere Standorte mit unzuverlässigem Regen. Sie puffern das intern ab und können sich daher behaupten.
Sei Krass, sei wie Crassula!
Sparsamkeit ist im Garten Standard. Kompost ist immer viel zu knapp, Wasser sowieso, Pflanzen sind teuer und alle Gärtner sind Held:innen der Sparsamkeit. Sie recyclen jedes Töpfchen zehnmal, bevor es weggeworfen wird, weil es endgültig auseinander fällt. Sie basteln aus Resten permanent Neues. Wenig Konsum, viel Handarbeit, viel Spaß. Genau das kommt auch dabei heraus, wenn man die Frugalisten fragt, wie sie ihr Leben sehen.
Frugalisten vertreten einen Lebensstil maximaler Freiheit. Sie wollen frei darin sein, wo sie arbeiten, wie viel sie arbeiten und woran oder für wen. Daher sparen Frugalisten einen großen Teil ihrer Einnahmen, um möglichst schnell finanziell unabhängig zu sein und von Zinserträgen leben zu können. Frugalisten kaufen wenig, machen vieles selbst und haben viel Spaß dabei. Sie versuchen, jeden Teil ihres Alltags so zu gestalten, dass er möglichst wenig Geld kostet, möglichst einfach ist und möglichst viel Freude bringt. Ich kenne viele Gärtner, die jetzt begeistert in die Hände klatschen, weil sie sich darin wiederfinden. Es geht ausdrücklich nicht um Knauserei, auch wenn es manchmal so aussieht. Frugalismus ist der Versuch so zu leben wie ein Geldbaum. Wachsen mit dem was kommt, speichern, was da ist und Stück für Stück in den nächstgrößeren Topf hineinwachsen.
Mich lacht das Modell sehr an, ich arbeite seit vielen Jahren so. Statussymbole wie etwa ein schweres Auto interessieren mich nicht, dafür hast du sofort mein Ohr, wenn du mir von deiner persönlichen Freiheit erzählst. Auch im Garten arbeite ich so, seitdem ich mich als Gärtner verstehe. Gerade habe ich aus Ziegelsteinen, die bei einem Mauerdurchbruch übrig blieben, zu einem kleinen Mäuerchen oben im Hang aufgeschichtet. Das Mäuerchen ist genau so hoch, dass man gut darauf sitzen kann und bildet einen Viertelkreis unter dem Kirschbaum. Noch ist der Baum klein, aber in wenigen Jahren wird man schön im Halbschatten sitzen. Altes Material verbaut, Mehrwert geschaffen und etwas gebaut, was in Zukunft Spaß machen wird.
Das ist natürlich alles nicht neu. Meine Großeltern haben schon so gelebt. Sie hatten eine Ecke im Schuppen, wo sehr viel Material lagerte, was man ja nochmal gebrauchen kann. Es kam zwar vor, dass Holzpfosten, die dort sehr lange lagerten, irgendwann zerfielen, aber in Summe konnte viel Material nochmal genutzt werden. Die Lagerlogistik existierte nur im Kopf meines Großvaters, was nach seinem Tod zu einigem Rätselraten führte. Die Sparsamkeit und der Wille, mit wenig viel zu erreichen und möglichst viel Freiheit zu haben, das sind genau die Leitmotive der Frugalisten und auch der Dickblattgewächse. Und als Bonus liefern sie einem auch beim Betrachten das Wort, das ich gesucht habe.