Ein blasser Glanz – Die Staudengärtnerei Gräfin von Zeppelin

Auf der Suche nach guten Staudengärtnereien bin ich recht schnell auf die Gräfin von Zeppelin gestoßen, die in Sulzburg-Laufen im südwestlichsten Zipfel Deutschlands bei bestem Weinbauklima in dritter Generation ein enormes Sortiment kultiviert. Nachdem ich einige Stauden dort bestellt habe und mit der Qualität zufrieden bin, wollte ich unbedingt auch einmal persönlich vorbeischauen. In diesem Sommer war es soweit. Stundenlang habe ich im Katalog geschmökert und mich mit der Geschichte der Gräfin von Stein-Zeppelin und ihrer Tochter und Enkelin auseinander gesetzt. Die Gräfin hat viele Iris-Sorten durch den Krieg gerettet, obwohl sie ihren Garten zum Nutzgarten umbrechen musste. Eine starke Geschichte, die immer noch nachklingt. Die Gräfin hat einige Sorten gezüchtet, die international Anerkennung gefunden haben und Kontakte z.B. in die USA ermöglichten. Ich bin tief beeindruckt von ihrem Schaffen und wir kommen dementsprechend resprektvoll über den Hügel in das kleine Dorf gefahren.

Direkt am Ortseingang liegt die Staudengärtnerei. Es ist sehr heiß und trocken, die Straßenbauer vor dem Gelände haben keinen beneidenswerten Job heute. Die neuen Eingangsgebäude sind hell wie ein Wintergarten und großzügig ausgelegt. Links die Buchhandlung, rechts die Gartenbedarfabteilung, die allerdings ziemlich viele Artikel wie etwa Platzdeckchen mit Katzenmotiven oder Seife präsentiert. Die eigentliche Abteilung für Gartengeräte und Sämereien ist dann nur eine Regalreihe lang. Die Buchhandlung ist hingegen sehr gut sortiert und hält eine sehr breite Auswahl von Fachbüchern bereit, wie ich sie selten in Buchhandlungen gesehen habe. Auffällig ist ein Bücherstapel an prominentester Stelle, der einen Gedichtband über Bartiris und einen Band über berühmte Männer und ihre Gärten anpreist. Beide sind aus der Buchpreisbindung und werden zur Hälfte des Preises angeboten. Beide sind, wie ich erst nachher feststellen werde, von der jetzigen Inhaberin der Gärtnerei, Aglaja von Rumohr geschrieben. Die Großmutter war Staudenzüchterin, die Mutter der Autorin ist Buchhändlerin. Die Enkelin will nun als Gartenschriftstellerin Fäden zusammen führen.

Das Liliencafé lasse ich zunächst links liegen, um endlich in die Gärtnerei zu gehen. Das Café liegt unten am Hang, von der Terrasse dort hat man einen vollen Überblick über das Staudenangebot, das sich den Hügel hinauf in allen Farben präsentiert. Die Präsentation in alphabetischer Sortierung gefällt mir ausgesprochen gut, auch wenn jetzt im Hochsommer das Sortiment etwas geplündert wirkt. Die Haupt-Verkaufssaison im Frühjahr hat viele Beete leergefegt, ein gutes Zeichen für den Ruf der Gärtnerei. Das Sortiment an Sempervivum ist enorm, vegetativ werden geschätzt 30 Sorten vermehrt. Dafür ist das Sortiment an Geranium etwas schmal. Das Herzstück der Gärtnerei, die Iris, Hemerocallis, Papaver und Paeonia, sind hingegen noch reichlich vorhanden. Die zitronengelbe Hemerocallis, die wir hier bestellt haben und die derzeit in unserem Garten blüht, finde ich leider nicht wieder, aber dafür eine gefüllte Schwester in Orange, die mir sehr gefällt. Die Paeonien sind leider nur auf den Fotos zu sehen, da ich für deren Blüte wirklich zu spät bin. Zwei pinke Strauchpaeonien stehen in unserem Garten und haben sogar im ersten Jahr nach dem Pflanzen geblüht.

Von weitem winkt mir schon der Bereich der Schattenpflanzen zu, die hier unter einem Lichtschutzgewebe stehen. Meine geliebten Astilboides tabularis stehen im Angebot, daneben eine mittlere Hosta-Sammlung, die leider die kleinen Sorten etwas vermissen lässt. Gunnera fehlt leider, obwohl sie im milden Weinbauklima sicher gut wachsen würde. Eine Bekannte aus England drückt sich in einer Ecke herum und leidet unter der Hitze: Podophyllum ’Spotty Dotty’ habe ich das erste Mal bei Beth Chatto gesehen,  hier ist sie wieder. Vielleicht das Ergebnis einer direkten Verbindung der beiden großen Gärtnerinnen? Den Teil der Gärnterei mit den Mutterpflanzen hätte ich nur zu gerne besichtigt, dieser ist aber für Besucher nicht zugänglich. Bleibt nur ein Stück hervorragenden Himbeerkuchen und Kaffee mit Blick auf die Gärtnerei. Vielleicht ist es ein Zufall – mir fällt auf, dass ausschließlich Frauen hier arbeiten, deren heimliche Leidenschaft offenbar ausladende Sommerhüte sind.

Hinter der Terrasse am Hang in Richtung Dorf liegt das Erdhaus, von der Gräfin selber noch errichtet. Es wird derzeit als Lager und für eine kleine Ausstellung der Geschichte der Gärnterei genutzt. Dem Erdhaus schließen sich einige kleinere Schaupflanzungen an, die flankiert werden von einer charmanten Idee: Jeder Mitarbeiter hat ein eigenes Beet gestaltet. Das Konzept jedes Beets wird zusammen mit dem Mitarbeiter in einer kleinen Tafel vorgestellt. Bemerkenswert, wie unterschiedlich eine Fläche von 9 Quadratmeter gefüllt werden können und wie viele Rückschlüsse eine Pflanzung auf eine Persönlichkeit anbietet. Strenge Diagonalen oder wilde Graswellen wechseln sich ab mit Beeten, die alle Farben außer grün zeigen und Sammlungen für den Trockengarten. Diese Idee gefällt mir ausgesprochen gut, weil sie Talentförderung und Mitarbeiterbindung sehr gut vereint.

Der kleine Ort bietet in der Mittagshitze nur einen schön kühlen Brunnen und vollreife Aprikosen zum Niederknien, direkt vom Bauernhof gekauft. Zeit zu gehen und Zeit, meine Eindrücke mit meinen Erwartungen zu vergleichen. Die Gärtnerei Gräfin von Zeppelin ist mir oft auf Papier und auf dem Bildschirm begegnet und immer wurde über diese mit Respekt gesprochen. Vollkommen zu Recht, wie sich zeigt. Ein Sortiment mit gut 2000 verschiedenen Arten und Sorten in guter Qualität zu bespielen, braucht Erfahrung und Geschick. Dennoch bleibt mir der Eindruck hängen, dass die jüngste Generation noch nicht ganz die Richtung gefunden hat, in die die Gärnterei gehen soll. Die Buchhandlung ist eine äußerst sinnvolle Ergänzung zur Gärtnerei, eine Erweiterung zum Lesecafé wäre wünschenswert. Ob das Angebot an Nonbook-Artikeln in diesem fast wahllosen Umfang dazu beiträgt, das Profil der Gärnterei zu schärfen, möchte ich bezweifeln. Ich kenne die ökonomischen Erfordernisse nicht, die zu diesem Angebot geführt haben, fürchte aber, dass der Einzug von Schnickschnack in den Verkauf die Autortität der Gärtnerin nicht fördert.

Die Außendarstellung der Gärtnerei ist im Jahr 2012 überarbeitet worden und strahlt eine sehr weibliche Note aus. Geschwungene Schriften, Rosa- und Violetttöne und eine romantische Sprache assoziiere ich mit Rosamunde Pilcher. Die klare und kühle Ansprache Beth Chattos in ihrer Gärtnerei fand ich wesentlich passender für eine Gärtnerin, die sich selber ernst nimmt und ihrer Profession vertraut. Die Bildsprache in den Katalogen der Gräfin ist überwältigend. Ein Blick über ein Blütenmeer aus Iris hinweg auf die Gärtnerei ist sehr bewegend. Vor Ort bleibt wird sichtbar, dass der Winkel geschickt gewählt wurde und die Gärnterei deutlich größer wirken lässt als sie ist. Ich fühle mich an Bilder von Wohnungen erinnert, die von unten fotografiert wurde oder wo eine Seitenwand gerade eben nicht im Bild ist. Zugegeben, eine verzeihliche Übertreibung. In Verbindung mit dem viel zu großen Krammarkt im Foyer allerdings drängt sich mir der Eindruck auf, dass die Staudengärtnerei Gräfin von Zeppelin gerade von einer gewissen Richtungsunschärfe geplagt wird. Und wie es der Zufall will, lese ich wenige Tage später in der Gartenpraxis über den Leiter der Abteilung Iris bei der Gesellschaft für Staudenfreunde, der die momentan führenden Züchter für Iris aufzählt. Die Staudengärtnerei Gräfin von Zeppelin ist leider nicht dabei.