Als die Douglasien im Dezember fielen, fiel auch zum ersten Mal seit zwei Jahrzehnten wieder Licht auf den Boden. Im trockenen Schatten schlugen sich bis dahin ein paar tapfere Mahonien durch und hier und da ein Labkraut – mehr nicht. Der Boden lag drei Finger hoch voller Nadeln, darunter war direkt der steinhaltige Boden, dann war Schluss. Nur wenige Wochen nach dem Fällen der Bäume poppten überall Primeln auf wie Sommersprossen im Gesicht von Pipi Langstrumpf und ich frage mich, wo die die ganze Zeit versteckt waren? Haben die über 20 Jahre im Schatten der Douglasien ausgehalten in der Hoffnung, dass der Tag mit dem Licht doch irgendwann kommen würde? Haben sie jedes Jahr ein kleines mutiges Blatt rausgeschickt und dann nach ein paar Wochen erschöpft aufgegeben und sich für das nächste Jahr zurückgezogen? Oder ist der Boden so gut mit Samen von Primeln durchsetzt, dass diese einfach Glück hatten, im richtigen Jahr verteilt worden zu sein und jetzt im Licht keimen konnten? Ich weiß es nicht. Der Boden war hellgrün voller Primelblätter und gelb wie eine Almwiese vor Blüten. Die Primeln wuchsen mitten in den trockenen Nadelschichten und an abgebrochenen Ästen vorbei.
Nicht so trocken wie befürchtet
Meine Befürchtung, dass der Garten am Momering ein trockener Garten sein wird, haben sich nicht bestätigt. Zumindest nicht vollständig. Der Boden sieht zwar trocken aus, weil die oberste Schicht aus Steinen und Split natürlich schnell abtrocknet, aber man muss nur ein wenig graben und findet erstaunlich schnell feuchte Erde. Nur, wenn es mehrere Wochen nicht regnet, kommt der Boden an seine Grenzen und fällt fast trocken. Die Stauden und Gräser, die bisher im unteren Teil des Gartens in feuchtem Gartenboden standen, verpflanzte ich nun nach und nach hoch an den Hang. Immer erst eine zum Testen, dann die anderen hinterher. Die Fetthennen fühlten sich natürlich sehr wohl in der prallen Sonne und legten ordentlich zu. Ebenso die Stipa-Gräser, die in trockenen Hängen zu hause sind. Echinaceen ließen ein paar Tage nach dem Pflanzen die Blätter hängen, fanden dann aber mit ihren Wurzlen offenbar tiefere Schichten mit genügend Feuchtigkeit. Die Sonne tat auch der Mariendistel gut. Als im Topf vorgezogene Pflanze brauchte sie nach dem Auspflanzen zwei Wochen, um sich zu akklimatisieren. In dieser Zeit waren die Schnecken gnadenlos und haben sie fast vollständig verschwinden lassen. Von einem Tag auf den anderen hatte die Distel aber offenbar geheime Kräfte aktiviert und war für Schnecken ungenießbar geworden. Jetzt bildet sie eine kräftige Rosette aus und wird hoffentlich im nächsten Jahr blühen.
Den Sandstrahlhafer setzte ich zunächst an den Rand des Gartens, als die kleinen Heckensträucher noch ohne Laub waren. Ich hatte allerdings keine Ahnung, wie stark die Schlehen, der Weißdorn und der Feuerdorn nach dem Schneiden ausschlagen werden. Als das Laub kam, waren die kleinen Gräser bald komplett in den Sträuchern verschwunden und reckten sich nach Licht. Jetzt stehen sie frei in der Fläche und breiten sich aus wie ein Hund, der sich nach einer langen Autofahrt räkelt. Im ersten Sommer habe ich oben am Hang keine einzige Zaunrübe entdecken können. Ich habe sogar eine Rübe von unten nach oben verpflanzt, um diese vermeintlich seltene Pflanze zu etablieren. Meine Rechnung war allerdings ohne die Vögel, die im letzten Jahr die Beeren der einzigen Zaunrübe komplett geerntet haben und dafür sorgten, dass aus jeder freien Ritze am Hang nun Zaunrüben ranken. Ich lasse diese erstmal stehen und beobachte die Schwebfliegen, die sich an den kleinen weißen Blüten mit Pollen maskieren.
Pionierpflanzen, die gekommen sind um zu bleiben
Wenn ich bei den gefällten Nadelbäumen die Jahresringe richtig gezählt habe, dann war der Hang 32 Jahre mehr oder weniger unter Nadelherrschaft. Dazu kamen heimische Pionierpflanzen. Schlehen und Weichselkirschen keimen noch heute überall. Die Schlehen beherrschen den Trick, sich meterweit unterirdisch vorzuwagen und dann eine Kette von Schösslingen zu entsenden, die ein stacheliges Dickicht entstehen lassen, das man wegen der dünnen Dornen, die schnell unter der Haut abbrechen wirklich nur einmal mit kurzer Hose betritt. Wenn man nicht alle versteckten Bodentriebe erwischt, treiben sie gnadenlos wieder durch und strotzen vor Wüchsigkeit und Kraft. Wenn man eine Pflanze gut für die Hangsicherung einsetzen kann, dann die Schlehe. Sie hält den Berg zusammen und gibt ihn nicht mehr frei.
Im zweiten Sommer ist die Struktur des Gartens schon in Ansätzen erkennbar. Wir haben Beeteinfassungen aus leeren Weinflaschen gebaut, die bei Wanderern auf dem angrenzenden Burgweg einen offenbar unwiderstehlichen Drang zum Kommentieren auslösen. Zugegeben, man sieht auf einen Blick mehrere hundert Weinflaschen, die sich durch den Garten schlängeln. Das wirft Fragen über die Besitzer des Gartens auf. Wenn wir gerade im Garten sind, werden wir oft gefragt, ob wir die alle selbst getrunken haben. Meist begleitet von einem zarten Unterton der Sorge, ob man nicht gerade einen hartgesottenen Alkoholiker vor sich hat und einem prüfenden Blick, ob wir auch nüchtern wirken. Wir haben in diesen Wegen die Flaschen von Winzern verewigt, die uns gefallen, aber auch eine nicht unerhebliche Unterstützung einer Strausswirtschaft erhalten, die uns Kistenweise leere Flaschen geschenkt haben.
Nicht zu trocken für Nacktschnecken
Der Hang ist trocken genug, dass ich dort keine Nacktschnecken erwartet habe. In meinem ersten Garten habe ich die Nacktschnecken zuerst weggetragen, dann in Bierfallen ertränkt, dann gehackt, dann Schneckenjauche angesetzt (die sehr gut gegen Schnecken hilft, aber einen unfassbar bestialischen Geruch hat, den man tagelang nicht aus der Nase bekommt. Man zahlt einen Preis für die Freiheit von Schnecken.) Am Ende dieser langen Kette der Zerstörung war Schneckenkorn, um wenigstens eine Handvoll Erdbeeren zu retten. Ein schmutziger Kampf.
Wenn ich Unkraut jäte, versuche ich, in der Art des Unkrauts und der Häufung zu erkennen, wo der Boden gerade ist. In den Schnecken habe ich allerdings kein Zeichen für irgendwas erkennen können, sondern nur Feinde am Buffet. Jetzt versuche ich in der Überzahl der roten Wegschnecken ein Ungleichgewicht im Boden zu erkennen, das man beheben kann. Der strahlende Ritter, der uns in diesem Kampf beistehen soll, ist so lang wie eine Zigarre, grau mit braunem Netzmuster, sieht aus wie eine Nacktschnecke und ist auch eine. Allerdings ist er der Netzschnegel, der nicht nur Pflanzen meidet, sondern morsches Holz frisst und ansonsten gelegentlich Eiweiß braucht. Dieses Eiweiß holt er sich gerne über die Gelege von anderen Nacktschnecken und wenn die gerade nicht da sind, raspelt er sich halt direkt die anderen Nacktschnecken rein. Wenn man Schneckenkorn streut, bringt man auch die Schnegel um. Ein Gleichgewicht kann sich nicht einstellen und die roten Schnecken gewinnen immer. Jetzt haben wir Verstecke für den Schnegel gebaut und hoffen, dass er sich wohl fühlt, Hunger bekommt und sich um die spanischen Nacktschnecken kümmert. Vielleicht haben wir damit mehr Erfolg und weniger Schleim an den Händen.