Buga 23 in Mannheim – Klima & Kommunikation

Die Buga in Mannheim ist die letzte Buga vor der Buga am Mittelrhein in 2029. Grund genug, sich genauer anzuschauen, was dort realisiert wurde und wie die Leut darauf reagieren.

Anreise

Wir wollten eigentlich mit der Bahn anreisen, hatten auch schon die Tickets gekauft. Allerdings gab es in Duisburg einen Ausfall im Bahnhof, sodass die gesamte Nord-Süd-Achse still war. Es ist immer noch desillusionierend, wie wenig resilient und belastbar das deutsche Schienennetz ist. Jahrzehntelang wurde es kaputt gespart und treibt die Leute ins Auto. So auch uns. Wir hätten es gerne anders und es muss dringend anders werden.

Die Parkplätze sind etwas weiter außerhalb vom Buga-Gelände. Ein Busshuttle bringt die Besucher schnell und einfach zum Eingangsbereich. Man merkt, dass die Anreise mit der Bahn eigentlich bevorzugt wird von der Buga und dass die Bahn hier unbedingt besser funktionieren muss. Aber das liegt nicht in der Hand der Buga.

Konzept

Die Buga Mannheim findet auf zwei Arealen statt. Ein altes US-Militärgelände nördlich der Innenstadt mit ca. 80 Hektar wird mit dieser Buga einer neuen Nutzung übergeben. Ein großer Teil des Geländes bleibt als das erhalten, was es die letzten Jahrzehnte schon war: Ein Magerstandort mit wenig Bewuchs und einer Heimat für unzählige Spezialisten aus Botanik und Tierwelt. Eine sehr gute Idee, die auf breite Zustimmung stößt bei den Besuchern. Um die Besucherströme zu lenken, wurde ein großer Aussichtssteg ans andere Ende des Geländes gestellt. Diese Aussicht zieht die Besucher an und hält sie damit auf den Wegen. Cleveres Management von Besucherströmen. Die andere Hälfte des Areals wird dichter genutzt. Die alten Hallen werden neu genutzt, es gibt mehr Beete, mehr Spielplätze und Kulturräume. Beides funktioniert gut zusammen. Die großen Freiflächen sind auch für das Stadtklima in Mannheim wichtig. Die Frischluftzufuhr hält die Hitze im Sommer etwas in Schach. Für die Klimakrise, die vor uns ist, ein wichtiger Baustein.

Das zweite Areal ist der schon etablierte Luisenpark nahe der Innenstadt. Dieser Park ist gut eingewachsen mit einer beeindruckenden Baumsammlung und viel Wasser. Beide Areale sind etwa 3 Kilometer auseinander und durch eine neu gebaut Seilbahn verbunden. Diese Seilbahn verbindet auch nach der Buga die zentralen Bereiche Mannheims über den Neckar und eine Bundesstraße hinweg mit dem Norden der Stadt. Diese Verbindung wird die Stadt nachhaltig verändern, womit ein zentrales Ziel der Buga erreicht werden dürfte. Die Verbesserung der Lebensverhältnisse.

Infrastruktur

Der Zentrale Eingang ist in einer alten Halle untergebracht. Mit mehreren Kassen und qr-Codes auf den Tickets geht der Einlass sehr schnell. Es fehlte nur ein Einlass für Leute mit Kinderwagen. Alle Familien mussten ihre Kinderwagen über die Drehkreuze heben, was aber als sportliche Einheit gewuppt wurde. Die Navigation im Gelände ist durchgehend zuverlässig und stimmig, fast alles ist barrierefrei erreichbar und Toiletten sind überall in der Nähe verfügbar. Auf die Flächenbuga am Mittelrhein übertragen steht da noch einiges aus, um diesen Standard an Versorgung zu bieten. Da ist noch einiges zu tun. Der Dreh- und Angelpunkt ist natürlich die Seilbahn. Jeder, wirklich jeder Buga-Besucher fährt Seilbahn. Die Gondeln sind permanent sichtbar vom Spinelli-Park und verweisen permanent darauf, dass es noch weiter geht. Vor der Talstation ist eine Schlange von Menschen, aber es geht zügig voran und die Gondeln bringen viele Besucher fort. Die Seilbahn ist neu, führt aber jetzt schon dazu, dass die Anwohner anders kommunizieren. Ein Sportplatz direkt unter der Seilbahn hat sich aufs Dach ein provisorisches Banner gelegt: Polizeisportschule Mannheim. Dieses Banner wird sicher durch ein permanentes ersetzt werden, es soll ja jeder sehen, über was er da hinweg schwebt. Auch die Schrebergärten passen sich an und haben in Markisen investiert. Etwas Privatsphäre will man ja behalten.

Die Schau

Die Schaupflanzungen sind natürlich das, was die Leute anlockt. Alle wollen gucken, anfassen und sich inspirieren lassen. Viele Schaugärten sind auf trockentolerante Pflanzen ausgelegt, ohne dass die Gärten etwa mager oder grau wirkten – im Gegenteil. Überall hörte man angeregtes Geplauder über Pflanzen, deren Pflege und über stimmige Gesamtbilder. Das ist der Kern der Buga, hier holen sich die Pflanzenleute ihre große Dosis Botanik ab, es ist eine Stimmung wie bei einer Herde Zebras an der Tränke, alle wollen ganz nah ran. Besonders charmant war der Garten für Heil- und Gewürzpflanzen. In weißen Teetassen, so groß wie Esstische, waren Kräuter nach ihren Wirkungen und Anwendungen gepflanzt. Ein echter Hingucker und im wahrsten Sinne des Wortes anregend. Überall wurde diskutiert, ob Schafgarbe wirklich bei Migräne hilft oder doch eher Mutterkraut. Sehr aktivierend und inspirierend.

Das Thema Klimaanpassung zog sich durch die gesamte Schau. Überall stehen Schilder, die die Maßnahmen erklären, z.B. eine Wildblumenwiese unter dem Titel „Hektar für Nektar“. Die Resonanz des Publikums ist sehr positiv, da ist ein breiter gesellschaftlicher Bewusstseinswandel zu erkennen. Vor wenigen Jahren noch hätte eine solche Fläche nicht funktioniert. Auch wenn die Wildblumenwiese mit den Schaupflanzungen nicht mithalten kann bei der Fülle und Blütengröße, erfahren die Wildblumen viel Anerkennung. Das Wissen, dass so eine insektenfreundliche Pflanzung aussieht, ist heute als Standard in der Planung vorauszusetzen.

Mein Fazit zu den Schau-Pflanzungen ist etwas gemischt. Es sind umwerfend dekorative Schaubeete gestaltet worden mit schwarzer Süßkartoffel, Bunten Nesseln, viele Dahlien und Nachtkerzen. Die Farbwirkung ist durchgehend elegant und gekonnt. In den Gartenpflanzungen tauchten allerdings viele alte Bekannte auf, hier fehlte eindeutig die Innovation. Wenn jeder dritte Garten Kaukasusvergißmeinnicht als Bodendecker nimmt, wird es nicht bunter. Die Sorte Jack Frost ist sehr beliebt, aber wie an einem Sommerhit hat man sich irgendwann dran satt gesehen. Ebenso Geranium Rozanne – sicher sehr passend für trockenere Standorte und blühsicher bis in den Oktober, aber halt auch immer wieder Rozanne. Ebenso kann man mit Stachelschweingras niemanden mehr beeindrucken. Hier fehlte mir der überraschende neue Eindruck, die Wiederentdeckung alter Zierden. Das oft gezeigte vertikale Grün kann das nicht auffangen sondern ist eher als technische Lösung zu sehen

In den Hallen sind Infostände über die Klimaanpassungen der Stadt Mannheim, weitere aus der Industrie und Handel, die aber wenig bis keine Beachtung finden. Das Wetter ist gut während unseres Besuchs und niemand will in der Halle vor Monitoren sitzen. Alle wollen raus, gucken, anfassen und heimlich Ableger abzwicken. Vielleicht sind hier Leute, wenns regnet.

Der Louisenpark ist etabliert, in allen Ebenen. Hohe Platanen und alte Gingkos geben Schatten, weite Rasenflächen mit königsblauen Sitzmöbeln laden zum Pausieren ein. Mein Highlight: Wilde Alexandersittiche, die sich in den alten Bäumen mit vielen Nisthöhlen sicher pudelwohl fühlen. Der Park insgesamt hat den Charme der 50er. Seerosenbecken mit nackter Betoneinfassung wirken mit heutigem Blick sehr retro, allerdings nicht uncharmant. Die Euphorie der 50er ist immer noch sichbar, die Begeisterung für Seerosen auch. Über Skupturen im Garten kann man viele Meinungen haben. In meinen Augen sind die bildhaften Skulpturen etwas aus der Zeit gefallen, aber sie erfüllen ihren Zweck und laden zum Betrachten ein. Der Chinesische Garten wartet im Eingangsbereich mit über hundert Strauchpfingstrosen auf, jetzt natürlich ohne Blüten. Im April und Mai muss es hier umwerfend sein. Im schattigeren hinteren Teil ist die Kameliensammlung, auch sehr beeindruckend. Für die Pflanzenblinden gibt es ein beeindruckendes Teehaus und Koi so groß wie Dackel, die an den vorbeifahrenden Booten betteln wie Möwen.

Mein Fazit

Eine sehr gelungene Buga mit einem naturnahen Konzept, einer beeindruckenden Umsetzung und einer echten Verbesserung für Mannheim. Die militärische Nutzung ist Geschichte, das Areal wird jetzt den Mannheimer Leuten übergeben. Die Seilbahn wird Stadtteile verbinden, Wohnungspreise verändern und neue Wege ermöglichen. Mannheim ist sichtbar daran interessiert, sich fit für das heißere Klima zu machen, all das wird sich lange positiv bemerkbar machen und die Stadt fortschrittlich prägen.

Wenn ich die logistischen und konzeptionellen Anforderungen auf den Mittelrhein übertrage, sehe ich, dass viele Lücken zu schließen sind und eine Flächen-Buga sicher ganz anders funktionieren wird als eine Orts-Buga. Die Mobilität muss am Mittelrhein viel mehr ein Teil der Attraktion sein, um die Orte am Mittelrhein zu verbinden. Züge mit Gewächshäusern oder Fahrende Beete würden die Besucher animieren, sich auch abseits der Bezahlflächen umzuschauen. Die Wege sind der Star, die Orte nur Momente. Das Publikum der Buga in Mannheim war sehr gemischt, wenn auch wenig international und sehr weiß. Viele Rentner, viele 50+ und viele Familien mit Kindern haben wir gesehen. Es fehlten die 30–40-jährigen und die nicht-Biodeutschen. Es muss barrierefrei sein, es braucht Areale für Kinder zum Austoben und viel Gastronomie und Toiletten. Und das alles überall und permanent. Digitale Angebote zur Vermittlung von Inhalten werden nach meiner Beobachtung eher nicht angenommen, persönliche Vermittlungen waren hingegen sehr gefragt. Klassischer Messebau hat keine Leute gebunden, dafür aber sind markante Orte zum Verweilen sehr attraktiv. Es muss mitgedacht werden, dass Besucher mitten ins Beet laufen, um eine Blüte zu fotografieren. Die Buga kann den Mittelrhein enorm aktivieren und motivieren, ein neues Kapitel aufzuschlagen, so wie es gerade in Mannheim passiert.

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