Die Stadt Bochum hat sich zuletzt durch ein bahnbrechend gutes neues Stadtlogo hervorgetan, das Geist und Charme versprüht. Grund genug, alte Klischees in Frage zu stellen und dem trostlosen Unigelände eine zweite Chance zu geben. Direkt vor der real existierenden Betonfantasie des Unigebäudes liegt der botanische Garten der Uni Bochum, es ist heiß und windstill. Der Garten liegt am Hang und wird im Tal begrenzt durch den Lottenbach. Die 13 Hektar wurden erst vor gut fünfzig Jahren angelegt, zeigen aber schon beeindruckend viel Baumbestand, die Atmosphäre ist daher sehr waldähnlich mit verschlungenen Wegen den Hang hinunter.
Bäume sind offenbar auch das leitende Thema im Garten. Ein sehr großer Teil des Hangs ist ziemlich dicht bestanden, nur wenige Lichtungen bieten Platz für Stauden und Einjährige. Hier wird offenbar dem Forschungsschwerpunkt des Gartens Rechnung getragen, der sich mit dem Übergang von den Nadelbäumen zu den Blütenpflanzen beschäftigt. Dementsprechend beeindruckend ist die Sammlung von imposanten Nadelgehölzen, die einen lebhaften und abwechslungsreichen Wald bilden. Der Preis für den Fokus auf Nadelgehölzen ist allerdings der etwas stiefmütterliche Umgang mit Stauden und niederen Gehölzen. Da steht ein Mammutblatt neben einer traurigen kleinen Feuchtstelle in einer sonst trockenen Wiese neben Araukarien. Der Star des brasilianischen Hochlagendschungels steht hier ratlos neben der Grande Dame des trockenen Patagoniens und keine der Pflanzen fühlt sich recht wohl. Das gefürchtete Blühloch im August schlägt hier leider schon im Juli zu, sodass weite Strecken des Gartens nur für eingefleischte Pflanzenfreunde lesbare Leckerbissen bereithalten.
Als Lichtblick hilft allerdings der chinesiche Garten, der sich überraschend mitten drin präsentiert. Die geschlossenen Außenmauern verraten nichts von dem kunstvoll arrangierten Steingärten und Teichen im Inneren. Der Garten ist gut eingewachsen und wirkt harmonisch, auch wenn die Dachbegrünung eher spontan aussieht. Der Garten der Dichter hat den eigenartigen Effekt, dass alle sofort langsamer gehen und die Hände hinter dem Rücken zusammen legen. Die verwinkelten Wege verlangen, die eigenen Schritte zu kontrollieren. Die vielfältigen Blickachsen und kunstvollen Fenster ergeben immer wieder neue Angebote, um den Blick ruhen zu lassen. Gleichzeitig ist der ummauerte Garten so klein, dass man immer genau weiß, wo man ist. Konzentration, Muße und Sammlung in Gartenform.
Nach dieser kleinen Pause in der Lichtung blinken schon die Gewächshäuser durch die Zweige. Bei 34° Lufttemperatur sind nur die in den Gewächshäusern, die es brauchen oder die dort arbeiten. Die Exoten blühen bei den Temperaturen richtig auf und die Gärtner helfen sich mit kühlen Tüchern auf dem Kopf durch den Tag. Alle anderen begnügen sich mit dem Gang vor den Gewächshäusern, der allerdings eine fantastische Sammlung von tropischen und subtropischen Kübelpflanzen bereit hält. Geschätzte 500 Kübel bilden ein botanisches Spalier, manche tatsächlich auch bewaffnet mit Spitzen, Dornen und Stacheln. Andere zeigen zarte junge Triebe und filigrane Blüten. Im Gegensatz zu mir fühlen sich die Exoten bei der Hitze pudelwohl.
Jetzt, Ende Juli, ist der botanische Garten Bochum eher ein Geheimtipp für Waldfans oder Hundehalter, allerdings kann ich mir gut vorstellen, dass im späten Frühjahr die Neuaustriebe der Nadelbäume ein äußerst stimmungsvolles Bild geben dürften. Die überall versteckten Blühstauden dürften dann ebenfalls mehr Farbe und Struktur beisteuern als jetzt und ich denke, dass der botanische Garten Bochum nicht nur einen zweiten Blick wert ist, sondern auf jeden Fall auch einen dritten. Ich komme wieder.